Liest man die »Morgenröte« insgesamt, muss auffallen, dass der Film bei aller philologischen Sorgfalt bestimmte Aspekte Böhmes – etwa das Selbstbewusste, das Anti-Scholastische, das ›Moderne‹, Dynamische, Prä-Dialektische, das prozesshafte Begreifen – besonders hervorhebt, während andere, im Text genauso gewichtige, nämlich die post-mittelalterlichen Seiten, also das Finstere, Luziferische, die »Grimmigkeit« der und in der Welt, tendenziell ausgespart sind. Zudem bietet Böhme als Autor der frühen Neuzeit auf ›gut Teutsch‹ ja auch viel Derbes, teils lutherisch Polterndes. War der weitgehende Verzicht darauf eher eine pragmatische Entscheidung oder repräsentiert er eine inhaltliche Deutung Böhmes?
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Kaum eine Figur steht so singulär zwischen den Epochen wie der große »Ungleichzeitige« Jacob Böhme (1575-1624). Während Galilei, Francis Bacon und Descartes die modernen Naturwissenschaften und den Rationalismus begründeten, schuf der Schuhmacher aus Görlitz ein Hauptwerk der christlichen Theosophie, das die Philosophen des Deutschen Idealismus sowie Romantiker wie Novalis tief beeinflusste und das bis heute fasziniert.
Hermann Hesse schrieb über Böhme, die Lektüre seiner Texte erfordere »ein vorübergehendes ›Leerwerden‹, eine völlig freie Aufmerksamkeit und Seelenstille«. Der Aufgabe, diese Haltung zu erzeugen, stellt sich das Team um Ronald Steckel im Film »Morgenröte im Aufgang – Hommage à Jacob Böhme«, in dem die Ideen und die bildgewaltige Sprache des »ersten deutschen Philosophen« (Hegel) die Hauptrolle spielen.
Für das Logbuch sprach Johannes Ullmaier mit Ronald Steckel.
Mehr unter: http://www.logbuch-suhrkamp.de/redaktion-logbuch/eine-wundererscheinung-in-der-geschichte-der-menschheit
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